Astrid Lindgren

Astrid Lindgren

Astrid Lindgren (c) Jacob Forsell/Bildmontage woods of voices

Wenn ich den Namen Astrid Lindgren höre, denke ich prompt an unbeschwerte Kindertage. Ihre Geschichten über Michel aus Lönneberga, Pippi Langstrumpf oder die Kinder aus Bullerbü sind über Generationen in den Köpfen der Menschen verankert.
Die überzeugte Humanistin war eine bemerkenswerte Schriftstellerin und Persönlichkeit, die sich unter anderem für die Rechte der Kinder und den Tierschutz einsetzte. 

„Lesen ist ein grenzenloses Abenteuer der Kindheit.“

Eine Kindheit, wie sie geschrieben sein wird

Vimmerby in Småland: Am 14. November 1907 erblickte Astrid Anna Amalia Ericsson das Licht der Welt. Mit ihren drei Geschwistern wuchs sie auf dem Bauernhof Näs, etwas außerhalb des schwedischen Städtchens, auf. Die kleine Astrid kletterte auf Bäume, spielte mit den Nachbarskindern „Nicht den Boden berühren“ und tobte ausgelassen im Heu. Szenen, die wir uns heute, dank ihrer Buchverfilmungen, vor Augen führen können. So stellt man sich eine unbeschwerte Kindheit vor. Bereits während ihrer Kindheit begeistert sich Astrid fürs Lesen und beginnt selbst zu schreiben.

Hof Näs (c) pixabay
Hof Näs (c) pixabay

„Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.“

Als sie im Alter von 18 Jahren schwanger wird, sorgt sie für großes Aufsehen in Vimmerby: Sie will den Vater ihres ungeborenen Kindes nicht heiraten und zieht 1926 allein nach Stockholm, wo sie sich als Sekretärin ausbilden lässt. Im Dezember des selben Jahres bringt sie ihren Sohn Lasse zur Welt, welchen sie zunächst in die Obhut von Pflegeeltern gibt – sie besucht ihn aber so oft es geht. 1931 holt sie ihren Sohn zu sich und heiratet Sture Lindgren. Mit der Geburt ihrer Tochter Karin (1934), wird Astrid Hausfrau. Während dieser Zeit widmet sie sich vornehmlich den Kindern und schreibt hin und wieder kürzere Texte für Zeitschriften.

Kriegsjahre

Im Jahr 1939 kehrt sie zurück ins Berufsleben. Sie wird Sekretärin bei Harry Södermann, genannt „Revolver Harry“, seines Zeichens Dozent der Kriminologie an der Hochschule Stockholm. Hier lernt Lindgren allerlei über die Kriminaltechnik. 
Als der zweite Weltkrieg ausbricht, beginnt sie Kriegstagebücher (Anzeige)  zu schreiben. Während der bewaffneten Auseinandersetzungen arbeitet sie beim schwedischen Nachrichtendienst in der Abteilung für Briefzensur und erhält somit Einsicht in die weltweiten Kriegsgeheimnisse. 

Lindgren Kriegstagebuch (c) Kungliga biblioteket
Aus Astrid Lindgrens Kriegstagebüchern, August 1941 (c) Kungliga Biblioteket

Mit dem stärksten Mädchen der Welt zu literarischen Erfolgen

Die Geschichten um Pippi Langstrumpf (schwed.: Långstrump) verdanken wir Lindgrens Tochter Karin. Diese erfand 1941 nämlich den Namen für den frechen Rotschopf. Astrid Lindgren schreibt die Abenteuer auf und schenkt sie ihrer Tochter zu ihrem zehnten Geburtstag.
Das Manuskript schickt sie an verschiedene Verlage – leider ohne Erfolg. Sie ändert es ab und gewinnt damit, im Jahr 1945, bei „Rabén & Sjögrens“ Buchwettbewerb den ersten Preis. Pippi Langstrumpf verkauft sich innerhalb zwei Wochen über 20.000 mal.

„Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!“

1946 wird die Autorin Leiterin der Kinderbuchabteilung bei „Rabén & Sjögren“. Die schriftstellerische Laufbahn gewinnt an Fahrt: Meisterdetektiv Blomquist und Pippi geht an Bord erscheinen. Mit Meisterdetektiv Kalle Blomquist entsteht 1947 der erste Film, sowie ihr neues Buch Wir Kinder aus Bullerbü.

1949 soll auch Pippis Geschichte verfilmt werden. Lindgren ist mit dem Resultat jedoch nicht wirklich zufrieden.
Eigens für das Fernsehen geschrieben, flimmert 1964 Ferien auf Saltkrokan über die schwedischen Bildschirme. 1969 schafft es auch Pippi Langstrumpf als Fernsehserie in die heimischen Wohnzimmer.

Von der Schriftstellerin zur Weltverbesserin

Die umjubelte Autorin muss 1973 harte Kritik einstecken. Die Brüder Löwenherz ziehen eine lebhafte Debatte nach sich, ob man in einem Kinderbuch vom Tod schreiben dürfe. Zudem trägt ein von Lindgren verfasster Artikel über die Steuerpolitik der Regierung in einer Abendzeitung dazu bei, ein Gesetz zu erlassen, welches die Prügelstrafe und andere elterliche Gewalt gegenüber Kindern verbietet.

Die Autorin wird mehr und mehr zur Stimme des Volkes. So spricht sich Lindgren in den 1980er Jahren aktiv gegen die Kernkraft aus. Zudem veranlasst sie mit einem Artikel in Schwedens größter Tageszeitung, eine Debatte über die Massentierhaltung in der modernen schwedischen Landwirtschaft. Daraufhin erwirkt sie mit „Lex Lindgren“ ein neues Tierschutzgesetz.

Astrid-Lindgren_Portrait (c) Jacob Forsell
(c) Jacob Forsell

Lebensende

Astrid Lindgren wurde 94 Jahre alt. Es mag ein Privileg sein, ein solches Alter zu erreichen. Dennoch sieht man die Dinge, besonders an seinem Lebensabend, mit etwas anderen Augen. Während man Freunde und Wegbegleiter verliert, bleibt man zuletzt allein zurück und muss mit seiner Trauer zurecht kommen. Den Schmerz über den Tod ihrer besten Freundin aus Kindertagen kann sie kaum aushalten. Sie selbst sagt über den Tod:

„Ich habe nichts dagegen zu sterben. Aber nicht morgen. Ich habe erst noch einiges zu erledigen.”

Die Zeichen des Alters nagen zusehends an ihr. Augen und Ohren wollen nicht mehr so recht funktionieren und nach einem Schlaganfall fallen gewohnte Abläufe schwer. Nachdem sie in den vergangenen Jahren zudem den Tod ihrer Eltern, ihres Mannes und des Sohnes Lasse ertragen musste, stirbt Lindgren selbst am 28. Januar 2002 in ihrer Wohnung in Stockholm.

Astrid Lindgren hat zeitlebens wahrlich Großes geschaffen und sich dafür eingesetzt, dass die heutige Welt ein kleines bisschen besser ist. Ihr werden zu Recht zahlreiche Auszeichnungen zuteil. Die „Nils Holgersson-Plakette“, der „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“ und die Auszeichnung mit der „H.C. Andersen-Medaille“ (Nobelpreis für Kinderliteratur) sind nur einige davon. 1999 erhält Astrid Lindgren den Titel „Autorin des Jahrtausends“. Überdies wird ihr im Jahr 1978 der Ehrendoktor der Universität Leicester überreicht.
Ihr Werk umfasst 34 Bücher und 41 Bilderbücher (mit insgesamt ca. 165 Millionen verkauften Exemplaren). Hinzu kommen Filme, Fernsehserien und selbst verfasste Texte für Filme und Theaterstücke.

„Alles, was an Großem in der Welt geschah, vollzog sich zuerst in der Phantasie eines Menschen, und wie die Welt von Morgen aussieht, hängt in großem Maß von der Einbildungskraft jener ab, die gerade lesen lernen.“

An dieser Stelle sei euch der Film „Astrid“ wärmstens ans Herz gelegt, von dem wir bereits in unseren Film- und Serienempfehlungen Februar/März 2022 berichteten.