Der Harz Runde 2: Doppelt hält besser
Romantisches Fachwerk, verträumte Landschaften und abwechslungsreiche Wanderpfade durch die Natur. Der Harz ist mannigfaltig und bietet seinen Gästen (und Bewohnern) ein schier endloses Spektrum an Abenteuern – sei es ein Wanderurlaub oder Sightseeing-Trip.
Kurz bevor zu Walpurgis die Hexen einfliegen, haben wir uns erneut (nicht standesgemäß mit dem Auto) nach Gernrode in den traumhaften Harz begeben. Der Campingausflug im letzten Jahr war einfach viel zu kurz, als dass wir alles auf unserer To-Do-Liste hätten abhaken können. Euch sei an dieser Stelle so viel verraten: Auch dieses Mal blieben wieder zu viele Erlebnisse auf der Strecke.
Tag 1: Die Anreise
Erfreulicherweise nur einen Katzensprung von zu Hause entfernt, sind wir binnen zwei Stunden bereits am Ziel angekommen. Gernrode empfängt uns bei strahlendem Sonnenschein. Unser Domizil befindet sich zentrumsnah mit Blick auf die Stiftskirche St. Cyriakus und zu unserer beinahe überschwänglichen Freude, über einem Irish Pub (später mehr dazu). Von der angemieteten Dachgeschosswohnung haben wir einen herrlichen Blick über die Dächer der Stadt. Auf der abendlichen Hunderunde sammeln wir die ersten Eindrücke.
Tag 2: Quedlinburg
Nach einem ausgiebigen Frühstück führt es uns heute nach Quedlinburg. Fachwerk, Kuchen und Kultur locken – FKK praktisch, ha!
Mit den rund 1.300 erhaltenen Fachwerkhäusern, wurde die Altstadt samt Stiftskirche und dem Schloss 1994 als UNESCO-Welterbe ausgezeichnet. Faszinierend und wahr: Im Mittelalter wurde die Stadt von Frauen regiert!
Auf unserer Sightseeing-Tour kommen wir an diversen Cafés vorbei, welche herrlich nach frisch gebackenem Kuchen duften. Aber den müssen wir uns erst einmal verdienen. Auf dem Schlossberg erhebt sich die Stiftskirche St. Servatii. So steil wie es zunächst scheint, ist es jedoch gar nicht und der Ausblick entschädigt allemal für etwaige Unannehmlichkeiten.
Vor uns liegt die herrliche Altstadt und mit einem geübten Auge, kann man sogar die alten Stadtmauern erkennen, welche ein typisches Merkmal für eine mittelalterliche Stadt sind. (Diese kleine Geografiestunde sei mir an dieser Stelle erlaubt!) Westlich des Schlossberges befindet sich der Münzenberg. Dieser beherbergte früher (vor der Reformation) ein Frauenkloster. Mit der Zeit, verlor es jedoch an Bedeutung, verfiel und diente teilweise als Steinbruch. Im 16. Jahrhundert siedelten ebenda, verschiedene Handwerker und einfache Leute, welche ihre Häuser aus den Ruinen der alten Anlage bauten.
Kultur mit Klopstock
Nach diesem herrlichen Ausblick steht uns der Sinn nach geistiger Bildung. Am Fuße des Schlossberges steht das Geburtshaus des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), welches heute unter dem Namen Klopstockhaus ein Museum beherbergt. Für die einen (man nennt sie auch Banausen) nur ein lustiger Name, geht dieser für uns indirekt mit Goethe einher. Der Lyriker (bekanntestes Werk „Der Messias“ (Anzeige) 1773) gilt als Wegbereiter der Empfindsamkeit, der Erlebnisdichtung und damit letztlich des Sturm und Drang. Er war der Auffassung, ein Gedicht müsse Leidenschaft und Handlung in sich vereinen. (Recht hat er.)
Die kleine Bergwanderung abgeschlossen und kulturell gebildet, sind wir endlich bereit für das wohl verdiente Stück Kuchen! Auf der Suche nach dem perfekten Gaumenschmaus, durchqueren wir verwinkelte Gassen und stoßen schließlich auf den Marktplatz. Es ist wie eine Erleuchtung: Aus der Enge der Handelsgassen breitet sich vor uns ein verhältnismäßig riesiger Platz aus. Umringt von Fachwerkhäusern, bildet das Rathaus das zentrale Element, welches unsere Aufmerksamkeit wohl verdient. Kurz darauf bekommen wir dann selbstredend auch noch unsere Leckerei und fahren zufrieden zurück nach Gernrode.
Gernrode
Da unser Interesse an Land und Kultur noch nicht zur Gänze befriedigt ist, lassen wir unser Maskottchen in Ruhe in der Unterkunft erholen und erkunden Gernrode allein – man muss ja schließlich wissen, wo man residiert.
Acht Kilometer südlich von Quedlinburg gelegen, ist Gernrode ein letzter Ausläufer des Harzes. Auf Pflasterstraßen und krummen Gassen spazieren wir an alten Höfen und Handelshäusern vorbei. Auch hier kommt der Fachwerk-Fetischist (man verzeihe mir das Wort) auf seine Kosten. Unsere kleine vorabendliche Runde führt uns bis zum Rathaus. Dabei streifen wir die Alte Elementarschule – heute ein Schul- und Stadtmuseum mitsamt historischem Klassenzimmer. Unser Hauptziel ist jedoch St. Cyriakus. Der Bau der Kirche des Frauenstifts Gernrode wurde 961 begonnen und um 1800 beendet. Das Heilige Grab in ihrem Inneren wurde dem Jerusalemer Vorbild nachempfunden. Leider kamen wir einige Minuten zu spät und konnten den weitgehend romanischen Bau nicht mehr von innen besichtigen – das verschieben wir auf einen anderen Tag.
Tag 3: Thale und Hexentanzplatz
So kurz vor Walpurgis wollen wir mal schauen, ob sich nicht doch schon die ein oder andere Hexe hierhin verirrt hat oder sich den besten Platz zum Tanz um das große Hexenfeuer reservieren will. Außer kleinen Nachwuchshexen und -zauberern konnten wir aber keine Märchengestalt ausfindig machen – schade. Bei unserem letzten Besuch leider zu voll, kamen wir diesmal endlich in das Vergnügen, das verdrehte Hexenhaus zu besuchen. Durch den verwunschenen Wald kommen wir an einigen Hexen und ihren Weggefährten vorbei. So auch an einem Baumgeist und dem wahrhaftigen Teufel.
Beim Eintreten in das Haus selbst, dreht sich uns schier der Kopf. Hier muss ein Zauber wohl mächtig schief gegangen sein: Alles steht Kopf und sorgt (zumindest bei mir) für kurzweiliges Unbehagen. Kann man eigentlich Hauskrank werden? Sei´s drum: Ein Besuch des Hexenhauses lohnt sich vor allem für kleine Besucher. Es gibt Einiges zu entdecken und zu unserer Freude tönen Szenen aus Fausts „Hexenküche“ aus den Lautsprechern, die wir enthusiastisch mitsprechen. Goethe würde sich freuen!
Auf einen Sprung nach Asgard
Im Anschluss wollen wir Thale und den Mythenweg erkunden. Zugegen spielt sich nämlich nicht nur die Walpurgisnacht ab. Nein… Auch die Wesen und Götter der nordischen Mythologie haben hier ihre Spuren hinterlassen. Entlang des Mythenweges trifft man unter anderem auf die Nornen, Freya und Odins Pferd Sleipnir. Sehr gerne hätten wir auch das Obscurum besichtigt, welches aber leider geschlossen hatte. Dann müssen wir wohl ein anderes Mal wieder kommen!
Die Teufelsmauer – Wenn Gott und Teufel wetten
Im nördlichen Harzvorland erstreckt sich auf einer Länge von 20 km die Teufelsmauer. Ihre mehr als 80 Millionen Jahre alten Sandsteinformationen zählen zu den ältesten Naturschutzgebieten Deutschlands. Aufgrund ihrer bizarren Formen, ranken sich zahlreiche Mythen um die Entstehung der Felsformationen. So erzählt man sich, dass der Teufel Gott vorgeschlagen haben soll, die Welt unter sich aufzuteilen. Zur Trennung der beiden Reiche wollte der Teufel eine Mauer bauen. Gott willigte ein, machte aber zur Bedingung, dass diese Mauer binnen einer Nacht bis zum ersten Hahnenschrei fertig sein müsse. Als der Teufel seine Arbeit beinahe beendet hatte, kam des Nachts eine Bauersfrau vorbei, welche ihren Hahn auf dem Markt verkaufen wollte. Sie erschrak vor Junker Satan, kam ins Stolpern und der Hahn begann zu krähen. Der Teufel glaubte, es nicht geschafft zu haben und zerstörte die fast fertige Mauer.
Ungeachtet dieser Legende ist die Teufelsmauer ein „Must-see“. Wir waren sehr traurig, dass wir es im letzten Jahr nicht mehr geschafft haben, dafür aber umso glücklicher, dass es diesmal geklappt hat. Es ist schon beeindruckend, wenn man vor den teilweise riesigen Gesteinsbrocken steht und sich fragt, wie um Himmels Willen diese Formen entstanden sind.
Tag 4: Wernigerode – Endlich!
Bisher konnten wir das – herrschaftlich über der Stadt thronende – Wernigeröder Schloss nur wehmütig aus der Ferne erspähen. Nachdem wir im letzten Jahr mehrmals durch und an Wernigerode vorbei gefahren sind, ist nun endlich der Tag gekommen, an dem wir dieses geschichtsträchtige Bauwerk ausgiebig erkunden können. Wir werden Burgfräuleins – hihi!!!
Aber zunächst steht ein kleiner Stadtbummel an. Wer hätte es gedacht? Die Straßen sind gesäumt mit Fachwerkhäusern. Es ist aber auch ein Traum! Man möchte glatt hineinschlüpfen.
Da ich ohnehin schon viel zu ausschweifend geworden bin und gleich noch das Schloss ansteht, fasse ich mich an dieser Stelle kurz. Wernigerode ist sehr schön und definitiv einen Besuch wert. Auf dem Marktplatz befindet sich (logisch!) das Rathaus. Es wurde 1277 erbaut und diente damals als Tanz- und Festhaus. Nachdem es als Gerichtsgebäude genutzt wurde, hat es im Jahr 1544 seine finale Bestimmung gefunden. Jay! 🥳 Selbstfindung für Gebäude – Ein Seminar in 3 Akten.
Es war einmal… Von einer Burg zum Schloss
So, jetzt aber zum Highlight unserer diesjährigen Harz-Tour: Das Wernigeröder Schloss. Es blickt auf eine lange Geschichte zurück. Ursprünglich um 1120 als Burg errichtet, sollte es den deutschen Kaisern auf ihren Jagdausflügen den Weg sichern. Im 16. Jahrhundert fanden Umbaumaßnahmen statt, die aus der Burg eine Renaissancefestung werden ließen. Mit dem Einzug der Grafen, welche als Stellvertreter des deutschen Königs fungierten, wurde die Burg praktisch geadelt. So patchwork-mäßig wie die einstige Burg heute aussieht, kann man schon erahnen, dass es nicht bei diesem einen Umbau blieb. Es wurde immer wieder umgebaut und unter anderem um eine Orangerie erweitert.
Durch die Pforte in eine andere Welt
Wir betreten das Anwesen über die große Freiterrasse. Von hier aus, hat man eine phänomenale Sicht über Wernigerode und kann sogar den Brocken sehen. Im Inneren bekommt man ein Gefühl dafür, wie man damals gelebt haben muss. Zwei Rundgänge führen uns vom Schlossinnenhof in die Kirche, durch diverse Arbeitszimmer und schließlich hinein in den beeindruckenden Festsaal mit gedeckter Tafel. Das Ambiente und das Interieur veranlassen uns dazu, ins Schwärmen zu geraten. Die Muster der edlen Tapeten finden sich überall in den Stoffen der Zimmer wieder. Betten, Sitzmöbel und Schränke verbreiten einen wohnlichen Charme. Die Gemälde der einstigen Schlossbewohner runden das Gesamtbild harmonisch ab und spätestens beim Anblick der Büste des Dichterfürsten Goethe sind wir uns sicher, dass dies unser trautes Heim sein könnte. (Wir bringen mal eben noch den Lottoschein in die Annahmestelle.)
Wernigerode und insbesondere das Schloss haben einen bleibenden Eindruck bei uns hinterlassen. Selbst als wir wieder zu Hause sind (unserem richtigen), blättern wir in den Broschüren und lesen im Internet die spannende Geschichte des Adelsgeschlechts nach. (Hihi, sie hat Geschlecht gesagt!)
Ein irischer Ausklang
Am Abend besuchen wir endlich – zum feierlichen Abschluss – den Corner Pub in Gernrode. Heidi hat bereits am Vorabend einen Tisch reserviert, den wir gleich in Beschlag nehmen. Wir werden sehr freundlich (und mit einem sehr leckeren Likör) empfangen. Die Location überzeugt mit britisch-irischem Flair, angenehmer Musik (hier sollte für jeden etwas dabei sein) und super leckerem Essen.
An dieser Stelle sei euch der Corner Pub wärmstens empfohlen. Für uns definitiv ein Pflichtbesuch, wenn wir das nächste Mal in der Gegend sind! Danke, für den schönen Abend und erfolgreichen Abschluss unserer kleinen Harzreise!
Tag 5: Abschied: We will be back!
Nur zu gern wären wir noch etwas länger geblieben – zumindest bis Walpurgis. Aber die daheim gebliebenen tierischen Familienmitglieder wollen schließlich auch umsorgt sein.
Eines steht für uns jedoch jetzt schon fest: Der nächste Harz-Aufenthalt wird ein Wanderurlaub. Bis dahin müssen wir aber noch etwas (viel!) an unserem allgemeinen Fitnesslevel schrauben. Wir sind nämlich im Stempelfieber und schielen gierig auf die Harzer Wandernadel. Mehr dazu, wenn es soweit ist.
To be continued…