Die Kelten: Mythos und Wahrheit
Die grüne Insel mit ihrer Landschaft, sowie all ihren Mythen und Legenden faszinierte mich schon immer. Daher war die Entscheidung “Keltische Studien“ als Wahlfach im Studium zu belegen nur logisch. Überrascht wie viel von dem Erlernten doch hängengeblieben ist (nicht zuletzt dank meines überragenden Dozenten – ein echtes Original aus Donegal), musste ich mein Wissen lediglich wieder auffrischen.
Da mich dieses Thema nach wie vor packt, möchte ich nun gerne mein Wissen mit euch teilen und vielleicht auch mit dem ein oder anderen historischen Mythos aufräumen.
Apropos Mythos: Die Kelten waren ein zutiefst sprituelles Volk. Ihr Gaube fußt auf Erzählungen von Göttern, Helden und vielerlei fantastischen Wesen. Da diese Mythologie äußerst vielschichtig ist und vielleicht manchmal etwas verwirrend sein kann, soll es schließlich auch dazu einen Überblick geben.
Die bedeutensten Quellen über die keltische Lebensweise und deren Glauben bilden Textsammlungen, welche in 3 Zyklen eingeteilt sind:
- Der Mythologische Zyklus – besser bekannt als Das Buch der Invasionen (irisch: Lebor Gabála Érenn)
- Der Ulster-Zyklus (irisch: an Rúraíocht)
- Der Fionn- oder Finn-Zyklus (irisch: an Fhiannaíocht)
Anmerkung: Die Bücher sind im “Original“ leider nur als englische Ausgaben erhältlich. Es gibt jedoch wirklich gute, deutschsprachige Bücher, welche Auszüge der Erzählungen enthalten und sich mit ihnen beschäftigen. Einige davon findet ihr im folgenden Beitrag.
Neben diesen 3 Hauptwerken existieren weiterhin:
- Der Königs-Zyklus – Gilt jedoch als ungenau und daher nicht als verlässlich.
- Das Mabinogion (Anzeige) – Eine Sammung walisischer Mythen.
Auch die Berichte der römischen Invasoren geben Aufschluss über die Gepflogenheiten der Kelten, wenngleich diese natürlich einen scharfen, abwertenden Unterton haben.
- Ceasars De Bello Gallico (Anzeige): Während der Gallien-Kriege (58-51 v. Chr.) schreibt Caesar detailreiche Beobachtungen dieser fremdartigen Kultur nieder. Zudem taucht der Begriff “Kelten“ hier erstmalig auf.
- Tacitus‘ Annalen (Anzeige): Darin finden sich ausführliche Berichte, wie der römische Heerführer Paulinus (60/61 n. Chr.) gegen die keltischen Stämme (angeführt von Boudicca) kämpft, den Aufstand niederschlägt und somit einen Großteil des Duidentums zerstört.
Vom Ursprung
Es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass die keltische Kultur den britischen Inseln entstammt. Tatsächlich gehen deren Ursprünge auf die sogenannte Hallstatt-Kultur zurück – benannt nach dem Fundort des 1846, von Johann Georg Ramsauer, entdecken Gräberfelds in den schweizer Alpen. Diese Kultur hatte sich etwa 800/750 v. Chr. entwickelt und erstreckte sich über ein Gebiet, welches von Ostfrankreich bis zur Balkanhalbinsel reichte. Von dort aus breiteten sie sich rasch weiter über Mittel – und Westeuropa aus. Die größte keltische Ausdehnung fand um 275 v. Chr. statt, bei der sie auch Britannien und Irland erreichten.
Demnach ist das, was wir heute als „typisch keltisch“ betrachten – also Irland und Großbritannien, mit seinen Steinkreisen, Hügelgräbern usw. – in Wahrheit gar nicht keltischen Ursprungs. Vielmehr entstammen die meisten dieser Monumente einer sehr viel älteren Kultur – zumeist auf die Stein- bis Bronzezeit datiert. Sie existierten also bereits, als die Kelten die Inseln erreichten. Diese machten sich die Bauwerke (Henges, Menhire, Hügelgräber, Dolmen) zu eigen und verehrten sie als heilige Orte, an denen wichtige Rituale durchgeführt wurden.
Die aufrecht stehenden Steine und emporragenden Hügel (sowie Brunnen, Höhlen, Flüsse und Seen) markierten, laut keltischem Glauben, die Tore zur Anderswelt. Dort lebten die Tuatha Dé Dannan – dazu aber später mehr.
Zudem existieren derlei Monumente nicht nur auf den Britischen Inseln. Auch auf dem europäischen Festland uns sogar in Nordamerika gibt es keltische und vorkeltische Gebilde.
Die weltweit berühmtesten sind zweifellos Stonehenge (welches genau genommen gar kein Henge ist) und das Hügelgrab in Newgrange. Auch die sogenannten Carnac-Steine zählen zu den beeindruckendsten ihrer Art.
Hierbei handelt es sich um tausende (Ursprünglich über 3000) aufrecht stehende Steine (Menhire), die sich über eine Länge von 3 km durch die Landschaft der Bretagne erstrecken. Dazu gehören auch Steinkreise und etliche Großsteingräber (Dolmen). Weiterhin ist hier der weltweit größte Menhir beheimatet – er misst sagenhafte 10 Meter. Archäologen datieren die Erbauung dieser beeindruckenden Anlage zwischen 4500 und 2300 v. Chr. – also lange vor den Kelten.
Auch existieren noch vielerorts Überreste keltischer Siedlungen und Befestigungsanlagen (Ringwall). Am bekanntesten hierzulande ist wohl der Ringwall von Otzenhausen im Saarland.
Die Anderswelt
Generell galten die Kelten nicht nur hoch zivilisiert und strukturiert. Zudem waren sie ein zutiefst spirituelles Volk. Wie viele alte Kulturen, waren die Kelten polytheistisch – glaubten also an mehrere Götter. Diese Götter, Magie, diverse Naturgeister und all die damit verbundenen Weisheiten prägten das Leben und den Glauben dieser Menschen. Besonders tief verwurzelt war der Glaube an die Anderswelt und Reinkarnation.
Dem Glauben nach ist die Anderswelt ein Ort, an dem es weder Kummer, noch Krankheit oder Tod gibt und die Zeit deutlich langsamer vergeht. Eine Welt scheinbar nie enden wollenden Glücks und Harmonie.
Doch auch dunkle, zwielichtige Gestalten (Geister, Kobolde…) treiben hier ihr Unwesen. Ebenso kämpfen die ansässigen Fürsten immer wieder um die Vorherrschaft. Letztendlich regiert einzig und allein der Gott Dagda über die Anderswelt. Dazu aber später mehr.
Der wohl berühmteste Ort der Anderswelt ist Avalon. Es ist der Ort, an den der berühmte König Artus zum sterben gebracht wird. Avalon ist jedoch lediglich eine „moderne“ Bezeichnung des Ortes Annwn – „Die Insel der Äpfel“ (aus der walisischen Mythologie). Der Zugang zu Avalon soll zudem im englischen Glastonbury liegen.
Glastonbury selbst ist heute Pilgerstätte für tausende Artus-Fans und Neopaganisten. Der Landschaft und ihren Bauwerken wird eine magische Verbindung zur Anderswelt zugeschrieben, welche mit zahlreichen Legenden verknüpft ist. Im Buch der keltischen Mythen (Anzeige) heißt es dazu:
“Unter den vielen Legenden, die sich um Glastonbury ranken, heißt es, es sei der Standort des Eingangs in die Avalon-Wohnstätte von Gwyn ap Nudd, dem Herrn der Anderswelt, das Grab von König Artus und Guinevere, die Heimat des heiligen Patrick und sogar der Aufbewahrungsort des heiligen Grals!“
Ebenfalls nicht gänzlich unbekannt ist Tír na nÓg – „Das Land der ewigen Jugend“, das Land der Feen. Es ist das Pentend zur walisischen Anderswelt Annwn.
In einem gleichen sich die unterschiedlichen Darstellungen, nach denen Tír na nÓg als weit entferntes Land der westlichen Meere beschrieben wird. Die ausführlichsten Berichte finden sich im Geschichtszyklus um den Helden Fionn Mac Cumhaill (auch Finn MacCool) und den Erzählungen über dessen Sohn Oisín.
Dieser soll 3 Jahre in besagtem Land gelebt haben, bis er eines Tages in die Menschenwelt zurückkehrt, in welcher indess 300 Jahre vergangen waren. Plötzlich rasant alternd, wird er zum heiligen Patrick gebracht, wo er von seinen Erfahrungen berichtet. Patricks Versuche Oisín zu bekehren scheitern kläglich. Oisín würde nämlich nur zum christlichen Glauben übertreten, wenn der Himmel auch nur halb so schön sei, wie die Anderswelt.
Aufgrund der Märchensammlung der Gebrüder Grimm (Anzeige) gehört Frau Holle (Anzeige) zum hiesigen Kulturgut.
Wahrscheinlich wissen die Wenigsten jedoch, dass dieses Märchen auf der Sagenwelt der Kelten basiert.
Zum einen haben wir Frau Holle (siehe Rauhnächte-Special). Einer Göttin gleich kann sie das Wetter und somit das Leben selbst beeinflussen, belohnt gute und fleißige Menschen. Den faulen und schlechten Menschen werden hingegen bestraft.
Der EIngang zu ihrem Reich befindet sich in einem Brunnen. Nun, Brunnen galten schon bei den Kelten als Übergang in die Anderswelt. Noch heute gibt es vielerorts Feste, bei denen Brunnen besonders festlich geschmückt werden.
Das Hollenreich selbst strotzt vor keltischen Symboliken. Die offensichtlichsten sind:
- Sprechenede Brote: Nach Ansicht der Kelten besitzt alles eine Seele und ein Bewusstsein.
- Apfelbaum: Auch dieser kann sprechen. Die reifen Äpfel wollen gerntet werden, um Platz für Neues zu schaffen (Kreislauf des Lebens). Zudem tauchen der Baum und seine Früchte immer wieder in der keltischen Mythologie (siehe Avalon = Insel der Äpfel) auf, da er als Symbol für Fruchtbarkeit steht.
Auch der Glaube an Transformation und Reinkarnation spielt hier eine tragende Rolle.
Marie springt wegen einer blutigen Spule (Blut = Opfergabe) in den Brunnen und somit in die Anderswelt (Tod), wo sie mannigfaltige Ausgaben übernimmt, für welche sie am Ende belohnt wird.
Schließlich darf sie nach Hause zurükkehren (Wiedergeburt) und kann ihr Schicksal nun neu spinnen kann (neue Spule als Symbol für einen Neuanfang).
Anmerkung: In Claus Krämers Mythen und Sagen der Kelten (Anzeige) gibt es hierzu eine ausführliche und schlüssige Analyse.
Unter den folgenden Bildern gelangt ihr zu weiteren Themengebieten, welche ich auf gesonderte Seiten verteilt habe. Es würde hier sonst überhandnehmen.
Mit diesem Wissen dürftet ihr nun so manche Dinge in einem anderen Licht sehen. Viele unserer heiß geliebten Filme, Serien, Games, Bücher (vorrangig aus dem Fantasy-Genre) und Musik sind von dieser sagenumwobenen Kultur inspiriert. Nicht nur das: Hiesige Sagen und Märchen – unsere ganze Kultur, Sitten und Bräuche, mit denen wir aufgewachsen sind, haben ihren Ursprung in der vielschichtigen Welt der Kelten.
Es war mir ein Vergnügen, euch einen kleinen, aber interessanten Einblick in diese großartige Kultur geben zu dürfen. Ich hoffe außerdem, dass ich euch dazu anregen konnte, noch tiefer in diese faszinierende Welt einzutauchen. Es lohnt sich, versprochen!
Spoileralarm!
Zu einzelnen Bereichen und Sagengestalten werdet ihr zukünftig noch mehr von uns lesen dürfen. Das wird sicher ganz toll!
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Literaturempfehlungen
- Das Buch der keltischen Mythen von Jennifer Ernick und Hubert Mania
- Das Buch der keltischen Mythologie von Sylvia und Paul F. Botheroyd
- Claus Krämers Myhen und Sagen der Kelten
- John O’Donohue Anam Cara: Das Buch der keltischen Weisheit
- Fiona Macleod Das Reich der Träume: Keltische Sagen und Legenden
- Die Welt der Kelten von Arnulf Krause
- Brigid: Lebe die Weisheit einer Heiligen, Göttin und Druidin von Jennie Appel und Dirk Grosser
- Keltische Kultplätze in Deutschland von Ulrich Magin
Anmerkung: Hierbei handelt es sich durchweg um Anzeigen. Jedes einzelne Buch lohnt sich jedoch auf seine Art und Weise gelesen zu werden. Ich jedenfalls kann allesamt stolz mein Eigen nennen
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