Wardruna gehört zweifelsfrei zu den Highlights – wenn nicht gar DEM Highlight – unseres Veranstaltungsjahres. Nachdem uns die Norweger bereits 2021 mit ihrem Album Kvitravn begeistert haben, freuten wir uns umso mehr auf das bevorstehende Konzert im Theater am Potsdamer Platz in Berlin.
Eine musikalische Reise mit Wardruna
Mit wenigen Minuten Verspätung stimmte das Sextett „Kvitravn“ an. Das Stück ist nicht nur namensgebend für das letzte Studioalbum (Anzeige), sondern obendrein Einar Selviks Künstlername (White Raven, dt. Weißer Rabe). Binnen Sekunden vermag es das Ensemble, die Zuhörer auf den Sitzen zu bannen, sodass man sich gefühlsmäßig in der Welt der Skalden wiederfindet.
Wardruna ist keine Live-Band, wie jede andere. Hier kommt es nicht darauf an, möglichst laut und spektakulär zu sein. Ebenso bedarf es keiner riesigen Palette an Instrumenten. Hier tut es eben auch ein Stück Holz, um den Rhythmus vorzugeben. Das ist es eben auch, was die Norweger von ihren Musikerkollegen unterscheidet. Die Musik Wardrunas ist inspiriert von der Natur und Geschichte Norwegens und das merkt man auch.
Wenn man die Augen schließt, möchte man meinen, man befände sich inmitten eines skandinavischen Waldes – umgeben von einheimischen Tieren und dem wogenden Wind, der die Bäume umspielt.
Manchmal ist weniger mehr
An dieser Stelle sei auch die minimalistische Optik hervorzuheben. Die Ambient-Folk-Kombo braucht keine 20 Quadratmeter große Videowand. So reichen allenfalls ein paar gut platzierte Scheinwerfer, die die Schatten der Musiker und Instrumente auf die angebrachten Stoffbahnen projizieren und, im Zusammenspiel mit der Musik, eine stimmungsvolle Atmosphäre erzeugen.
Während sich zum Lied „Solringen“ eine Sonnenfinsternis abzeichnet, wird die gesamte Bühne bei „Rotlaust tre fell“ in mystische Nebelschwaden gehüllt.
Insbesondere bei „Fehu“ offenbart sich Lindy-Fay Hellas herausragendes Stimmvolumen. Obendrein schwebte sie ein ums andere Mal äußerst charmant, barfüßig über die Bühne, ohne dabei einer Choreografie zu folgen. Inspiriert von den schamanisch anmutenden Klängen ihrer Kollegen, ersann sie sich ihre eigenen Schritte.
Warme Worte und stehende Ovationen
Hervorzuheben ist, dass es während des Konzerts keine Unterbrechungen gab. Erst als die Setlist abgespielt war, griff Selvik zum Mikrofon, um sich sichtlich bewegt bei dem Berliner Publikum zu bedanken, bevor mit „Helvegen“ die erste Zugabe gespielt wurde. Anschließend ergriff Einar – für uns sehr überraschend – ein zweites Mal das Wort. Nach einer längeren Ansprache (über die Wichtigkeit von Poesie), stimmte Hauptkomponist Selvik (diesmal Solo) „Voluspá“ an. Währenddessen zeigte sich einmal mehr, dass der Norweger nichts weiter benötigt, als seine eigene Stimme und eine Kravik Lyre (kleine siebensaitige Harfe), um das Publikum zu begeistern.
Ein nachhallendes Erlebnis
Dieses Konzert war auch für uns eine ganz neue Erfahrung. Sonst zieht es uns doch eher zu rockigen Veranstaltungen mit tanzbaren Liedern, bei denen man lautstark mitsingen kann. Wenngleich wir uns über das Sitzkonzert gefreut haben, erlebten wir doch einige Momente, in denen es uns nach einer kleinen Tanzeinlage gelüstete und wir den Sitz gern verlassen hätten.
Wer Wardruna schon aus der Konserve gut findet, wird während der Live-Darbietung wörtlich von den Stühlen gerissen. Das Ensemble, rund um Mastermind Einar Selvik, versteht es, das Publikum in eine ganz andere Welt zu entführen. So schwebten wir, etwas über anderthalb Stunden lang, in mythischen Sphären, die die Musik der nordischen Kultur mit sich bringt. Jedes einzelne Bandmitglied war während des gesamten Abends eins mit der Musik und machte das Konzert zu einem absolut authentischen Erlebnis.
Es bleibt festzuhalten: Egal was man schreibt… Kein (Lob-)Wort kann der Performance und dem gesamten Erlebnis in irgendeiner Weise gerecht werden. Wardruna muss man einfach einmal live erlebt haben, um das gesamte Spektrum der musikalischen Darbietung erfassen zu können. Dieser besondere Abend wird noch lange in unseren Gedanken nachhallen.
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