Volksglaube
Hexen gibt es natürlich auch in anderen Kulturen. So wie sich Menschen verschiedener Herkunftsländer unterscheiden, variiert freilich auch die Charakteristik des jeweiligen Hexenbildes. Vielleicht habt ihr schon einmal etwas von Befana oder Jenny Greenteeth gehört? Zumindest Baba Yaga sollte den meisten ein Begriff sein, ist ihr Name doch unweigerlich mit der russischen Märchenhexe verbunden.
Wer kennt sie nicht, die russische Märchenhexe (Anzeige) Baba Yaga? Sie ist eine wahrlich schauderhafte Erscheinung: Eine lange, gekrümmte Nase, unzählige Warzen und Lippen, welche bis zum Kinn herab hängen. Wenn einem bei diesem Anblick mal kein Schauer über den Rücken läuft…
Etwas abgeschieden, lebt sie im Wald in einer sonderbaren Hütte:
„Hüttlein, Hüttlein! Stelle dich mit dem Rücken zum Wald und mit der Vorderfront zu mir!“
Untrennbar mit ihr verbunden, ist das Hexenhaus, welches auf Hühnerbeinen steht und jedem ungebetenen Gast den Rücken zudreht. Allerlei Schädel zieren ihren Zaun; wo auch anders hin mit den menschlichen Überresten? Ihre kannibalistischen Anwandlungen kann sie so wohl eher schlecht verstecken. Doch von grundauf böse ist Baba Yaga keinesfalls! Sie hat ebenso gute Wesenszüge. Wer zu ihr kommt, muss arbeiten, loyal und ehrlich sein. Sie fordert zwar und bestraft mitunter, kann aber auch belohnen, sofern es ihr angemessen erscheint.
Die Märchenhexe par excellence ist auch in Besitz eines Besens. Diesen verwendet sie jedoch nicht zum fliegen. Vielmehr verwischt sie damit ihre Spuren, wenn sie mit ihrem fliegenden Mörser unterwegs ist.
Die Cailleach beschreibt eine gälische Sagengestalt aus Schottland, Irland und der Isle of Man. Sie wird mit dem Wetter in Verbindung gebracht und als Verkörperung des Winters, gilt sie oft als Verursacherin von Unwettern. Ein anderes Mal wiederum ist sie eine Schöpferin bestimmter Seen, Flüsse, Berge und Inseln oder gar Beschützerin der Tiere.
Sie wird vorrangig als alte, hässliche Frau beschrieben; mit nur einem Auge inmitten eines blauschwarzen Gesichts.
Cailleach bedeutet im modernen Irisch „Die Hexe“; im Altirischen wiederum „Die Verhüllte“, hergeleitet vom Nomen caille („Schleier“).
Auf die Cailleach wurden Züge ursprünglicher keltischer Göttinnen übertragen, wie zum Beispiel die Morrigan oder Korrigan.
Verwandte Gestalten sind Black Annis oder Gentle Annie, Gwrach y Rhibyn, Bronach und Mal.
Einschub von Heidi: Die Cailleach geht auf die Muttergöttin(en) zurück – speziell in deren Winteraspekt. Das heißt, sie steht für den Tod, aber auch den Beginn eines neuen Lebenszyklus. Deshalb kann sie auch ihre Gestalt verändern – wie eben auch die Morrigan etc. – und so vom hässlichen, alten Riesenweib zu einer jungen, strahlend schönen Frau werden, um ihre Opfer in die Irre zu führen und zu bestrafen, aber all jene zu belohnen, die über ihren Anschein hinwegsehen können. Das wiederum ist ein wesentlicher Aspekt hinsichtlich der keltischen Souveränitätsgöttin.
Yuki-Onno ist eine wahre Horrorgestalt. Lautlos schwebend bewegt sich die blasse, hochgewachsene Frau hinfort. Ihre Eigenschaften spiegeln nicht nur die einer Hexe wider, sondern sind auch vampirischer Natur.
Yuki-Onna wird mit dem Wintereinbruch in Verbindung gebracht. Als „Schneehexe“ lockt sie ihre Opfer in tiefe Schneetreiben und lässt diese zu Eis erstarren. Dabei sind ihr viele Mittel recht: So gaukelt sie verwirrten Eltern vor, in Besitz ihrer verlorenen Kinder zu sein oder verführt die Männer mit ihrer Schönheit. Mit ihrem tiefen Blick soll sie die Menschen schier in den Wahnsinn treiben. Einige Geschichten erzählen, dass sie sich von der Lebensenergie ihrer Opfer ernährt. Immerhin, war deren Tod so nicht umsonst!
Eine weitere japanische Hexengestalt ist Yamauba, welche häufig mit Yuki-Onna verwechselt wird. Die „Berghexe“ tritt in Erscheinung einer alten, hässlichen Frau auf. Das lange, goldweiße Haar ist ungepflegt und ihr Mund erstreckt sich über ihr ganzes Gesicht In einigen Erzählungen besitzt sie auf ihrem Kopf einen zweiten Mund.
Yamauba wohnt in den tiefen Wäldern und Bergen Japans. Sie hat es vornehmlich auf Reisende abgesehen. Um ihre Opfer zu fangen, verändert sie gern ihr Aussehen; gewöhnlich frisst die diese auf der Stelle. (Was sollen die auch erst schlecht werden?!) Andererseits gibt es auch Erzählungen, in denen sie ihre Opfer in ihre Hütte lockt, mästet und erst dann verspeist. (Scheint eine echte Feinschmeckerin zu sein.) Als wäre dies nicht schon genug, soll sie auch am Verschwinden von Kindern schuld tragen. Diese Geschichte wird gern von Eltern als Kinderschreck genutzt. Yamauba ist zudem sehr gewandt im Umgang mit Giften und Heiltränken. Ebenso ist für ihre Zauberkünste bekannt. Einige Geschichtenerzähler stellen sie als einsame Wanderin dar. Sie steht symbolhaft für eine harmonievolle Verbundenheit mit der Natur.
Befana benennt eine Hexe oder einen weiblichen Dämon und hat nicht viel mit unserer Vorstellung einer Märchenhexe gemein. Als Ballungszentrum des christlichen Glaubens, ist die italienische Darstellung der Hexe stark an das höchste kirchliche Fest angelehnt: Die Heiligen Drei Könige. Der Name Befana stammt vom Begriff „Epiphanie“ ab (Erscheinung des Herrn).
Sie gilt heute als gute Hexe; reitet in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar auf ihrem Besen von Haus zu Haus und bringt Geschenke oder bestraft – ganz in alter Knecht Ruprecht-Manier.
Der Sage nach, soll Befana die Frohe Botschaft von den Hirten gehört haben. So wie die drei Heiligen, sollte auch Bafana durch den Stern von Bethlehem zur Krippe geführt werden. Jedoch verpasste sie diesen weil sie zu spät aufbrach – Frauen. 😅
Befana weist einige Parallelen zur alpenländischen Perchta und der mitteleuropäischen Frau Holle auf.
Auch die indische Mythologie verbindet Hexen mit Vampiren. Die Chepide sind Vampir-ähnliche Wesen, welche sich wörtlich als „Prostituierte“ übersetzen lassen. Darf man auf den Volksglauben vertrauen, können Prostituierte und weibliche Opfer eines übernatürlichen Todes als Chepide wiederauferstehen. Nackt und freizügig bekleidet, reiten sie auf einem Tiger durch die Nacht. Sehr fantasievoll, die Inder!
Die Chepide saugen die Lebensenergie (Blut) ihrer vornehmlich männlichen Opfer durch deren Zehen. Nichts für Podophobiker! Mitunter soll sogar von Geschlechtsverkehr die Rede sein! So wurde auch der Verdacht der Untreue im Geist der Frau lauter, sodass der Sagengestalt Trauer und Misstrauen zugrunde liegen.
Überlieferungen besagen, die Chepide besuchen ihre Opfer mehrfach und könnten sich so lange von ihnen nähren, bis der Mann schließlich an Blutmangel stirbt.
Homers Mythos um die Halbgöttin und Zauberin Kirke, ist weithin bekannt. Sie lebt auf der Insel Aiaia (dt.: „Klagen“) und verwandelt Besucher ihres Palastes in zahme Tiere. So auch Odysseus´ Begleiter, welche eines Tages nach einer Irrfahrt auf die mit Eichen und anderen Bäumen bewachsene Insel kommen. Die Tiere bevölkern fortan das Umland Kirkes´ Behausung, erwecken die Neugier von Neuankömmlingen und geben damit einen Hinweis auf die gefährlichen Verführungskünste der Zauberin. Daher kommt übrigens auch die Redensart, jemanden zu bezirzen. Das griechische Kirke wurde latinisiert zu circe. Im Deutschen spricht man es folglich Zirze.
Grüne Haut, langes Haar und scharfe Zähne. So wird die Flusshexe, die besonders für Kinder und Ältere eine große Gefahr darstellt, oft beschrieben. Diese laufen Gefahr, in der Nähe von Gewässern in ihre Fallen zu tappen. Blitzschnell schießt die Hexe aus dem Wasser heraus und ertränkt ihre Opfer anschließend.
In der Hellboy-Kurzgeschichte The Corpse tritt sie als eine Gegenspielerin auf.
Hexerei ist keinesfalls rein weiblicher Natur. Bereits im Mittelalter glaubte man an die Existenz männlicher Hexen. Dementsprechend wurden auch viele Männer Opfer der Hexenverfolgung.
Zauberer, Hexenmeister, Drudner/Trudner (um 1600 verwendet), Herich oder „Malefikanten“: Es gibt viele Wörter für das männlichen Pendant zur Hexe.
Heute sind Zauberer längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Spätestens seit Harry Potter ist die Emanzipation auch in der magischen Welt angekommen. Der bekannteste aller mythischen Zauberer ist jedoch unumstritten Merlin. Schon lange vor dem jungen Zauberschüler machte er von sich reden.